Thawra (
ثورة) im Libanon (Revolution):
Seit dem 17.10.2019 demonstrieren Libanesen aller!!!
Religionsgruppen (was für den Libanon eigentlich ein Wunder ist)
gegen die Jahrzehnte lange Misswirtschaft und Korruption der
Regierung. Dabei errichteten sie Straßensperren in ganz
Libanon, was allerdings auch die Wirtschaft fast lahm legte. Durch
die Corona
Pandemie sind die Demonstrationen eher verebbt.
Eine neue Regierung mit unabhängigen Sachverständigen
wurde/wird gefordert. Egal welche Regierung an die Macht kommt oder ist,
sie erbt einen riesen Schuldenberg, den sie alleine nicht mehr
abbezahlen kann. Aber die neue Regierung seit 2018 war nicht sonderlich
erfolgreich das Land aus der Krise zu ziehen. Am 15. Mai 2022 fanden
neue Parlamentswahlen statt. Wird diese Regierung es schaffen?
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Banken geben schon kurz nach Anfang der Demonstrationen im Oktober 2019 nur noch kleine Summen an ihre Kunden aus, mal mehr, mal weniger. Überweisungen ins bzw. Abbuchug vom Ausland wurden sofort gestoppt, sehr wahrscheinlich aus Angst, dass vor allem die große libanesische Diaspora im Ausland ihre Gelder aus dem Libanon abzieht. Allerdings gibt es Schlupflöcher um US-Dollar abzuheben, z.B. auf ein Fresh-Money Gehaltskonto, auf dem der Gehalt vom Ausland auf eine Bank im Libanon überwiesen wird.
Bekommt man jedoch von Verwandten oder Freunden im Ausland US-Dollar
überwiesen, kann man diese überwiesenen US-Dollars abheben,
nicht aber die eigenen Dollars. Allerdings sollte vor einer
Überweisung immer zuerst mit der Bank im Libanon gesprochen
werden.Sicher ist sicher.
Im Sommer 2020 wurde auch wieder bei den vielen Zweigstellen der Western Union bei Überweisungen aus dem Ausland US-Dollar ausbezahlt, abzüglich ca. 2% Gebühren im Libanon (für den Staat) je nach überwiesener Summe.
Die Lage der Banken bzw. Auszahlungsart von Western Union kann sich jedoch stündlich ändern.
Nur, was machen die Libanesen oder Gastarbeiter, die niemanden im
Ausland haben, die ihnen finanziell helfen können?
Regisierte syrische Flüchtlinge erhalten von UHNCR und
anderen Hilfsorganisationen meist mehr Hilfe als die Libanesen, die oft
leer ausgehen. Wie fühlt sich wohl eine libanesische Mutter,
die sieht, wie ihre syrischen Flüchtlings-Nachbarn mit
Flüchtlings-Hilfspaketen beliefert werden und sie selbst nicht
weiß, woher sie bzw. ihr Mann das Geld (aufgrund der hohen
Inflation bzw. Arbeitslosigkeit) für die wichtigsten
Grundnahrungsmittel bekommen soll?
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Das libanesische Pfund (umgangssprachlich Lira), die libanesische Währung, hat gegen den US-Dollar nun schon ca. 40% an Wert verloren. Der US-Dollar ist (oder war?) die zweite Währung im Libanon, welche die libanesische Regierung und die Nationalbank zum libanesischen Pfund immer künstlich stabil hielt. Wie sich im Lande der Wechselkurs 1 US Dollar zum Libanesischen Pfund entwickelt, wird auf der Graphik der Seite Lira Rate anschaulich dargestellt. Fahre mit der Maus auf der Linie, damit du den Kurs an einem bestimmten Tag sehen kannst.
Seit Jahrzehnten ist der US-Dollar die zweite Währung im
Libanon.
Überall kann man mit der Libanesischen Lira oder US-Dollar bezahlen
– außer bei den staatlichen Behörden. Der Wechselkurs
wurde immer künstlich auf 1.500 gehalten, d.h.
für 30.000 Lira bekam man immer 20 US-Dollar und umgekehrt. In den
Banken und den Geschäften im Libanon wurde auf diese Weise
umgerechnet, je nach dem, mit welcher Währung man gerade bezahlen
wollte. Auf den Kassenbons der großen Supermärkte steht der
Preis in beiden Währungen. Rechnungen wie von vielen Privatschulen,
Privatversicherungen oder Ärztehonorare etc. wurden in Dollar
angegeben und mit 1.500 umgerechnet, wenn man keine Dollars dabei hatte.
Im Sommer 2020 lag der Wechselkurs bei den Wechselstuben
zwischen 7.000 - 9.000 statt 1.5000, im Mai 2022 wurde der
höchste Wert bis jetzt mit 37.750 erreicht, wobei er
danach abfiel und nun am 1. Juli 2022 auf 28.600 stand.
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Da viele Produkte für den Alltag aber auch für die Arbeits- und Wirtschaftsbereiche aus dem Ausland importiert werden, brauchen die libanesischen Käufer US-Dollar oder Euro. Mit der Inflation wurde nun diese Waren automatisch teurer bzw. unerschwinglich, aber auch libanesische Produkte.
Beispiele aus dem Alltag im Libanesischem Pfund (= Lira) vor der Wirtschaftskrise und Anfang September 2020:
Früher | September 2020 | |
---|---|---|
1 großes Glas Nutella | 9.000 - 10.000 | 47.000 |
1 kg getrocknete rote Bohnen | 4.000 | 9.000 |
1 kg billiger Reis | 3.500 | 7.000-8.000 |
1 große Dose Pulvermilch | 26.000 - 32.000 | 100.000 |
Preise für Obst und Gemüse aus dem Libanon sind je nach
Region anfangs relativ stabil geblieben, in anderen Gegenden stiegen
auch hierfür die Preise. Aber selbst in Beirut waren die Preise im
Sommer 2021 und schon davor enorm gestiegen. Die Inflationsrate stieg
laut Statistica bis Dezember 2020 auf 88% und laut TRADING ECONOMICS
sogar auf 145%. Im August 2021 liegt die Inflationslage bei
137% und im April 2022 bei 206%.
Zwei Beispiele von Ende Mai 2022: Das Kilo Reis kostet 57.500
LL, statt früher 3.500 LL und 20 Liter Benzin 95 Octan an
der Tankstelle 542.000 LL statt einst zwischen 26.000 LL und 32.000 LL
(anders als in Deutschland sind die Benzinpreise für 20 Liter statt
für 1 Liter angegeben).
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Der Libanon ist immer für Überraschungen bereit: Ende Juni 2022, trotz der hohen Inflation, hielt der bankrotte libanesische Staat die Eintrittspreise zu touristischen Sehenswürdigkeiten stabil, z.B. kostet der Eintritt in Byblos zur Kreuzfahrerburg immer noch nur 5.000 LL und in die Jeita-Grotte (Tropfsteinhöhle) in der Nähe von Junieh nördlich von Beirut 18.315 LL.
Quellen u.a:
Statistica:
Inflationsrate von 2018 - 2020
TRADING ECONOMICS: Lebanon Inflation Rate
Online-Zeitung: Tayyar.org - ganz oben im Menü:
living cost indicators (arab.)
Durch Straßensperren der Demonstranten kamen
die Leute Ende 2019 nicht zur Arbeit, dadurch gab es
Lohnkürzungen bzw. keine Lohnauszahlung sowie Entlassungen. Ein
Sozialsystem, welches die Arbeitslosigkeit auffängt gibt es
nicht. Und selbst wenn, der bankrotte Staat könnte es
nicht bezahlen.
Durch die Wirtschaftskrise verloren im Sommer 2020 auch Bankangestellte
in höheren Positionen ihre Arbeit, da gespart werden muss.
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Spendengelder gab es vor der Explosion hauptsächlich nur für die syrische Flüchtlinge im Libanon, aber wer half dem libanesischen Volk? Auch libanesische Hilfsorganisationen und wohltätige Vereine wie die beiden Behinderteneinrichtungen Sesobel und Anta Akhi (auf deutsch: Du bist mein Bruder) bekamen und bekommen kaum oder keine Spendengelder mehr, da den Bürgern das Geld ausgeht oder schon ausgegangen ist. Viele arme Libanesen fanden dies ungerecht und unverständlich.
Ist die Explosion
im Beiruter Hafen 2020 nun die Rettung für die
restlichen Bewohner des Libanon und den Libanon? Muss immer erst eine
verheerende Katastrophe passieren bis Rettung kommt? Und was ist mit der
Hungersnot in Jemen und den vielen anderen Ländern?
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Seit Sommer 2021 gab es fast kein Benzin und keinen Diesel. Der Diesel (lib. mezut) wird hauptsächlich für die privaten großen Stromgeneratoren gebraucht, die amperweise Strom (typisch sind 5 oder manchmal 10 Amper) an private Haushalte verteilen, sobald der staatliche Strom ausbleibt. Da auf Grund der Wirtschaftskrise der Staat nicht genügend Benzin oder Diesel einkaufen kann/einkauft, gibt es auch weniger staatlichen Strom - d.h. der Staat liefert nur ca. zwei Stunden Strom pro Tag! Da der Libanon über kein Erdölvorkommen verfügt, muss er Diesel für die Stromerzeugung einkaufen. Aber dafür fehlen dem Staat (bald) die nötigen Devisen. Am 11. August 2021 hob die Libanesische Zentralbank die Subventionen auf Treibstoffe auf. Zudem kommt noch der Werteverlust des Libanesischen Pfundes im Land selbst - nicht außerhalb des Landes - hinzu, was zur enormen Preissteigerung führte.
Kein Wunder, dass sich an den Tankstellen lange Schlangen bilden, wobei der Autofahrer oft nach stundenlangem Warten nur ein paar Liter bekommt. Für ein Land, in dem man auf sein Auto täglich angewiesen ist, um z.B. zur Arbeit zu kommen bzw. die Kinder zur Schule zu bringen (wenn man das Geld für den Schulbus einsparen will/muss), ist der Benzinmagel eine Katastrophe.
Ähnliche Probleme gibt es beim Kochen, denn gekocht wird im
Libanon hauptsächlich mit Gas. Die Gasflaschen werden
meist vom kleinen Supermarkt nebenan gekauft und ein Mitarbeiter liefert
sie ins Haus. Für ein Trinkgeld schließt es sie am Herd an.
Wie sieht es im Winter aus, wenn man den Gasofen anschalten
will oder den Heizofen, der mit "mezut" betrieben wird? In den Beiruter
Wohnungen ist es im Winter ohne Heizung
zwischen 10 - 13 Grad warm bzw. kalt, in den Bergen und der Bekaa-Ebene
natürlich kälter.
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Im Libanon gibt es Millionäre, es wird offen gemunkelt, dass sie
durch Korruption reich geworden sind. Was mit dem Volk passiert, scheint
ihnen egal zu sein.
Auch gibt es genug Geld und Nahrungsmittel auf der ganzen Welt um alle
Menschen zu versorgen.
Tonnenweise werden Nahrungsmittel und andere Güter wie
zurückgegebene einwandfreie Waren vernichtet, weil es billiger ist
als diese an Ärmere zu verteilen. Manche Menschen in Deutschland
(und bestimmt auch in anderen Ländern) ziehen ein billig T-Shirts
nur ein Mal an. Statt es zu waschen und zu bügeln schmeißen
sie es in den Müll mit der Begründung: Es war so billig, die
Mühe lohnt sich nicht und kaufen sich ein neues T-Shirt.
All das schreit zum Himmel!!!
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Und wie sieht es im eigenen Alltag aus?
Wann lernen wir für den Nächsten zu sorgen? Wann für die
Hilfsbedürftigen in der Familie, der Nachbarshaft, im eigenen Land,
im Ausland? Wenn alle mithelfen würden, sähe die Welt ganz
anders aus. Es liegt an uns, an jedem einzelnen, ob wir Verantwortung
für unseren Nächsten übernehmen.
Gott sei Dank gibt es aber auch Menschen, die (noch) ein Herz haben und
dem Nächsten auf ganz verschiedene Art und Weise helfen (und sei es
nur mit einem freundlichen Lächeln). All diesen Menschen meinen
allerherzlichsten Dank für Ihre Nächstenliebe. Was ist das
wichtigste Gebot in der Bibel? Liebe Gott und liebe deinen Nächsten
wie dich selbst. Die Welt sähe schon ganz anders aus, wenn
zumindest wir Christen uns danach richten würden.
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Und dann diese Geschichte, die Jalal bei seiner Hilfsaktion Lebensmittelpakete in Beirut
zu verteilen erlebte: Eine alte alleinstehende liebeswerte Frau, die ein
solches Paket erhalten hat, war ihm und allen Spendern so dankbar. Sie
bot ihm freundlich Kleinigkeiten zum Essen an, obwohl sie fast selbst
nichts zum Essen hatte. Seit Ostern 2019 hat sie kein Fleisch mehr
gegessen, ihr Kühlschrank ist fast leer, auch die Wohnung. Sie
arbeitet, aber das wenige Geld reicht hinten und vorne nicht. Die
Nachbarin bringt ihr ab und zu etwas zum Essen.
Das nenne ich libanesische Gastfreundschaft: Der Gast bekommt zu
essen, auch wenn man selbst hungern muss.
Und sie beklagte sich nie. Es war ihr eher peinlich über ihre Not
zu sprechen... Andere Helfer haben ähnliches erlebt.
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