Schon wieder schlechte Nachrichten aus dem Libanon – diesmal kein Krieg, aber für viele Beirutis ist dieses Ereignis viel schlimmer als was sie im 15jährigen Bürgerkrieg 1975 - 1990 erlebten: Am 4. August 2020 um 18:08 Uhr Beiruter Zeit – zuerst ein Brand und kurz darauf die Explosion in Beirut am Hafen, die große Teile des Beiruter Hafens samt dem großen weißen Getreidesilo zerstörte. Der ohrenbetäubende Knall war bis nach Larnaka, Zypern, in 200 km Entfernung zu hören. Im Umkreis von 400 km zeichneten seismologischen Stationen Erschütterungen auf. Selbst in 9.000 km Entfernung auf den Bermuda-Inseln wurden an Infraschall-Stationen der für Menschen nicht-hörbare Schall aufgezeichnet.
Die enorme Detonation bzw. Druckwelle der ca. hochexplosiven 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat* (das zur Herstellung von Düngemittel und Sprengstoffen verwendet wird) hinterließ einen Krater von rund 200 Meter Länge und 43 Meter Tiefe, zerstörte und verwüstete tausende Häuser, so dass es viele Vermisste und tausende von Obdachlosen gab. Die Stärke der Explosion entsprach 1.100 Tonnen TNT.
Obwohl, für diese enorme Druckwelle sind das relative wenige Tote, wobei jeder Tote zu viel ist. Viele Häuser wurden zerstört oder z.T. zerstört. Im Umkreis von zig Kilometern gingen Scheiben und Türen zu Bruch – auch von Krankenhäusern. Viele haben Leute ein Trauma erlebt – aber wie immer im Libanon – die Menschen bekommen wenig psychologische Hilfe, viele können sich diese gar nicht leisten. Aber es gibt z.B. die Organisation Embrace (Umarmung), bei denen sich Psychologen jetzt kostenlos ihren Dienst anbieten. Dieses Unglück ist ein Neues von vielen im Libanon.
*Das Ammoniumnitrat war als Sprengstoffmaterial 2013 auf dem moldauischen Küstenschiff "Rhosus" von Georgien nach Mosambik unterwegs. Das lecke Schiff sollte unterwegs in Beirut Waren aufnehmen. Die libanesischen Behörden ließen es wegen seines Zustandes nicht mehr auslaufen. 2014 gaben die Besitzer das Schiff auf. Später wurde das Ammoniumnitrat in das Lagerhaus Nummer 12 gebracht. Trotz Warnungen blieb es dort bis es schließlich zur befürchteten Explosion kam.
Quelle u.a.
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR): Beirut
explosion causes strong shock waves - Infrasonic, hydroacoustic and
seismic signals registered and investigated by BGR (deutsch,
engl.; letztes Update: 7.8.2020)
Viele Libanesen bzw. Beirutis fühlen sich als Opfer, die keine Kraft mehr haben und verzweifelt sind. Ich sah einen Ausschnitt einer libanesischen Reportage ein, zwei Tage nach der Explosion. Die junge libanesische Reporterin stand tief in den Trümmern und machte ihrer Verzweiflung Luft (frei zusammengefasst ihre Aussage): Tränen unterdrückend und tief erschütternd fragte sie: "Woher sollen wir noch die Kraft hernehmen? Ihr, die Unbeteiligten in den anderen Ländern sagt uns, wir sollen stark sein? Wie lange noch? Woher sollen wir die Kraft nehmen? Immer wieder bekommen wir eins drauf. Der Bürgerkrieg 1995 - 1990, der Krieg 2006, die syrischen Flüchtlinge (wie sollen wir für sie aufkommen, der libanesische Staat hat ja kaum Geld für uns um die Stromversorgung 24 Stunden aufrecht zu erhalten und dazu die steigenden Preise für Nahrungsmittel), dann die Wirtschaftskrise, die im Oktober 2019 begann und der Beginn der Inflation des Libanesischen Pfunds, Anfang März 2020 brach Corona im Libanon aus und nun noch die Explosion in Beirut." Und das sind nur die Eckpunkte, die sie aufgezählt hatte und mit denen die Einwohner Libanon täglich zu kämpfen haben.
TopDas demoralisierende ist: Es lässt die libanesischen Politiker kalt, so scheint es. Das vergrößert den Schmerz. Die erst neu Diab Regierung (seit 10.1.2020) trat am 10.8.2020 zurück, ist aber noch geschäftsführend im Amt.
Viel Hilfe von vielen Staaten wurde schon bei der
Flüchtlingskrise versprochen. Aber wie weit wurden und werden sie
umgesetzt? Und wohin flossen ein Teil der Gelder, die ins Land kamen?
Auch gab es finanzielle Zusagen um dem libanesischen Staat und der
UNHCR bei der Flüchtlingskrise der Syrer zu helfen, wurden sie
alle eingelöst? Die Summen, die laut UHNCH betötigt werden,
wurden nicht aufgebracht. De Libanesen fühlen sich im Stich
verlassen – auch weil den syrischen Flüchtlingen geholfen
wurde, ihnen aber, die ebenso Hilfe brauchen, gehen leer aus.
Flüchtlinge bekommen Essenspakete, während sie als Libanesen
kaum was zum Essen haben. Wie kann das sein?
Aber zu einem Teil tragen/trugen auch verschiedene Libanesen zur Not
bei, wohin gegen andere tatkräftig mit all ihren zur
Verfügung stehenden Mitteln halfen und immer noch helfen.
Herzlichen Dank an alle, die in irgendeiner Weise dem Libanon geholfen haben oder helfen – und wenn es mit Gebet ist – denn auch das ist machtvoll.
So schlimm die Explosion am Beiruter Hafen auch war, die Bevölkerung des Libanon hatten Glück im Unglück. Warum?
Mir fallen drei Punkte ein:
Die Wucht der Explosion war enorm, es wird behauptet, dass es die zweitgrößte Detonation nach Hiroschima gewesen sei – über mehr als 300.000 Obdachlose in der ca. 1,4 Millionenstadt Beirut, 100 Vermisste und über 5.000 Verletzte, und dabei starben "nur" rund 220 Menschen. Bitte mich nicht falsch verstehen, jedes Menschenleben ist kostbar, jedes Todesopfer ist eins zu viel. Aber es hätte noch viel schlimmer ausgehen können.
Auch ich habe eine Bekannte bzw. Menschen in der weiteren Verwandschaft verloren und höre von Freunden, die um ihre Lieben trauern, so zum Beispiel um einen vermissten Freuerwehrmann, der am Beiruter Hafen war, um "einen Brand" zu löschen. Von ihm wurden erst nach Tagen nur noch Hautfetzen gefunden. Oder einer jungen Mutter einer zweijährigen Tochter, die als Krankenschwester im Krankenhaus im Dienst ums Leben kam.
Überlebende
Aber es gibt auch positive Berichte: Ein Hobbyangler angelte zur Zeit
der Explosion in Beirut. Etwas flog an seinen Kopf, er wurde in ein
Krankenhaus gebracht, notoperiert. Gott sei Dank wurde nur der Knochen
verletzt und nicht das Gehirn, so dass es ihm kurz nach der Operation
wieder gut ging. Es ist auch ein Wunder, dass Helfer überhaupt
ein Krankenhaus fanden, in dem er operiert werden konnte. Denn viele
Krankenhäuser waren durch die Druckwelle außer den Scheiben
und medizinischen Geräten auch von innen her zerstört.
Eine Freundin wollte aus den Bergen an diesem Tag nach Breirut fahren,
hat es sich Gott sei Dank anders überlegt.
Einen andere Freundin war in Hazmieh, einem anderen Stadtteil von
Beirut, mit ihrem Auto aus einem großen Einkaufszenrum gefahren.
Ein paar Sekunden später ereignete sich die Explosion. Links und
rechts fielen die Scheiben auf die Bürgersteige, sie mitten drin
– aber sicher in ihrem Auto. Wäre sie ein paar Sekunden
früher herausgefahren wären die Scheiben auf ihr Auto
hinuntergestürzt – und sie mittendrin.
Wäre es im Winter (ca. Dezember - März), also in der
Regenzeit passiert, wäre alles noch viel schlimmer. Wohin so
schnell mit den Obdachlosen und den Verletzten im Regen und der
Kälte? Im Winter wäre es noch viel schlimmer keine Scheiben
zu haben. In Beirut ist es im Winter um die 10 Grad Celsius kalt, in
den Bergen noch weniger. Aber durch die Küstenlage ist die
Feuchtigkeit relativ hoch. Dadurch fühlt sich 10 Grad in Beirut
viel kälter an als im Landesinneren in Deutschland. Und stellen
Sie sich vor, in Ihrer Wohnung hat es die ganze Zeit 10 Grad und der
Starkregen kommt durch die glaslosen Fenster. Somit Glück im
Unglück, denn jetzt sind es noch sommerliche Temperaturen –
leider manchmal auch zu heiß. Klimaanlagen zu Hause – falls
sie nicht beschädigt wurden und es Strom gibt – helfen dann
auch nicht.
Einige Libanesen boten ganz unkompliziert Obdachlosen eine
Notunterkunft im eigenen Haus an. Somit schweißte das
Unglück die Libanesen wieder zusammen.
Der Libanon braucht schon lange globale Hilfe. Bei dem enormen syrischen Flüchtlingsstrom aus dem Nachbarland Syrien (ca. 2 Millionen bei einer Bevolkerung von ca. 4 Millionen in einem kleinen Land halb so groß wie das Bundesland Hessen) bekam der libanesische Staat viel zu wenig Unterstützung. Die Hilfsorganisationen erhielten nicht genügend Geld um den Flüchtlingen täglich genügend Essen zu geben. Daher mussten sich die Flüchtlinge Arbeit suchen – auf einem eh schon schlechten Arbeitsmarkt. Sie bieten ihre Arbeitskraft günstiger an als die Libanesen, somit erhält der Syrer die Arbeit und der Libanese geht leer aus. Arbeitslosenversicherung oder andere soziale staatliche Absicherung gibt es im Libanon nicht.
Wenn jetzt die Welt wieder auf den Libanon schaut, vielleicht bekommt nun der Libanon und die Bewohner die nachhaltige Unterstützung, die sie brauchen. Aber schon ein Monat danach ist der Libanon kaum noch in den Medien. Andere Ereignisse sind nun wichtig. Ist der Libanon – eigentlich ein Paradies – schon vergessen oder arbeiten die Menschen im Ausland und im Libanon auch nach der Explosion im Beiruter Hafen weiter für den Libanon? Wird der Libanon je (wieder) ein Paradies werden? Die wunderschöne Natur und Landschaft ist da (ein kleiner Einblick sehen Sie auf meiner Webseite in verschiedenen Kapitel wie z.B. in der Fotogalerie / Kunstgalerie und im Kapitel Geographie oder Sehenswürdigkeiten und der Libanon hat wunderbare und gastfreundliche Einwohner und eine gaumenverzaubernde feine Küche... aber leider zu viele große und kleine Probleme...
Wird den Einwohnern geholfen? Was ist mit den mit den neuen
Versprechen? Werden sie eingelöst werden? Kommt Hilfe an der
richtigen Stelle an? Und wie lange kommen die Spendengelder,
Hilfsgüter und Lebensmittel. Wie sieht es mit nachhaltigen
Projekten aus? Wird der Libanon (wieder) ein Paradies, in dem die
Menschen in Frieden und ohne Angst um ihr tägliches Brot und
Leben leben können? Wie sehnen sich die Libanesen danach. Auch
sie sind Menschen wie Sie und ich.
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Vieles ist angelaufen – meist ganz unkoordiniert – wie so
oft in Krisenzeiten. Zehn Mal werden die Bewohner der gleichen Wohnung
um Erlaubnis gefragt, Fenster ausmessen zu dürfen, um später
neue Glasscheiben einzusetzen. Zehn Mal wird ausgemessen – denn
die Bewohner bezweifeln, dass die Scheiben ankommen – sie sind
aus Erfahrung misstrauisch geworden. Ob es all die Leute, die
ausmessen, es wirklich ehrlich meinen? Ich hoffe es.
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Oft wurden den Bewohner der Stadtteile Nähe des Beiruter Hafens
wie Gemeize, Mar Mkhaiel und Badaro Lebensmittelpakete angeboten.
Meist enthielten sie immer das selbe. Die Menschen sind auch sehr
dankbar dafür. Aber wie sollen die Menschen andere
lebensnotwendige Dinge kaufen bzw. Arztbesuche (Ãrzte nehmen
meist nur US-Dollar an) und Medikamente bezahlen, wenn sie selbst kein
oder kaum Geld haben: Übrigens: jeder Arztbesuch und
ärztliche Untersuchung muss zuerst einmal aus eigener Tasche
bezahlt werden bevor man einen Teil von der staatlichen Versicherung
(irgendwann) zurückerstattet bekommt – soweit man eine
Arbeit, die beim Staat angemeldet ist, hat.
Woher sollen viele Menschen genügend Geld herzaubern?
Staatliche Hilfe (wie z.B. in Deutschland) gibt es keine. Dafür
gibt es weder Strukturen und noch hat der libanesische Staat Geld. Er
hat selber Anfang 2020 den finanziellen Staatsbankrott erklärt.
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Der Libanon braucht dringend langfristige Spenden – aber
nicht nur ein bzw. zwei Monate lang – sowie nachhaltige
Projekte. Die Libanesen brauchen aber auch wieder eine Hoffnung,
ein reales Ziel, eine Zukunft, auf die sie sich freuen
können und für die es sich lohnt zu arbeiten und zu
kämpfen.
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Woher die Hoffnung, die Kraft und den Glauben nehmen, den sie schon Jahrzehne hatten und der immer wieder zerstört wurde, z.T. auch von leeren Versprechen seitens der Regierung, fehlender staatliche Grundversorgung wie 24 Stunden Strom und Trinkwasser. Die meisten der meist sehr gut ausgebildeten jungen Libanesen (Bildung ist ein "Exportgut" im Libanon) sehen keine Zukunftsperspektive mehr in ihrer Heimat – und das nicht erst seit jetzt. Die hatten sie auch schon nach dem Bürgerkrieg nicht mehr.
Haram Libanon – Armes Libanon. Und dabei ist der Libanon ein
Paradies. Fast jeder, der den Libanon besuchte, hat das Land und
die Leute lieben gelernt. Hier ein kleiner Einblick in die Sehenswürdigkeiten.
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Es fehlt an allen Ecken und Enden. Heißt das nun, den Kopf in
den Sand stecken?
Nein, auf keinen Fall! Jetzt erstrecht nicht. Wenn alle
tatkräftig in Liebe zusammenarbeiten – und nicht an den
eigenen Profit, an die eigene Tasche denkt, dann kann Beirut und der
ganze Libanon wieder zu seinem alten Glanz wie vor dem
Bürgerkrieg kommen, ja sogar noch besser und noch lebenswerter
werden. Dann kann es ein Paradies werden, in dem sich alle wohl
fühlen, auch Sie.
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Es steckt so viel Potential in den Libanesen – aber man muss ihnen auch eine Chance geben dieses Potential langfristig und nachhaltig entfalten zu können.
Andere wie Simon Khazaka, verwurzelt im Libanon, wählen eine ganz andere Art: Simon, 21 Jahre alt, halb Deutscher halb Libanese, hat am 15. August 2020 den wundervollen und positiv eingestellten Podcast Liebe Lebe Libanon begonnen, in dem er seine Beziehung, Erlebnisse und Gefühle zum Libanon auf eindrucksvolle Weise beschreibt – auch in Bezug auf die Explosion. Er drückt auf einfache Art aus, was sein Herz bewegt und will Menschen zusammen bringen, die Ähnliches fühlen und die tatkräftig etwas für den Libanon bewirken möchten. Lassen Sie sich in seine Welt hineinziehen. Zwei Mal in der Woche lädt er einen neuen Podcast zum Anhören hoch.
Einige Freunde und Bekannte haben selbst Hilfestellung ins Leben
gerufen oder mir Organisationen bzw. Menschen vor Ort empfohlen, die
anpacken und helfen. Hier ein Überblick über ein paar Hilfsaktionen und Organisationen.
Wenn Sie helfen wollen – können Sie sich aussuchen, wen sie
unterstützen möchten. Natürlich gibt es auch noch viele
andere Hilfsprojekte für den Libanon. Egal wem sie helfen, jeder
Euro bzw. US-Dollar zählt. Herzlichen Dank schon jetzt im Voraus
:-)
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