Kurioses im Libanon

 

INHALT

 

Zu den Kuriositäten bzw. zur Alltagskultur im Libanon könnte ich Bände schreiben. Bei bestimmten Themen könnte ich natürlich – wie in anderen Ländern auch – regionale Unterschiede wie: Stadt – Land, Küstenstreifen am Mittelmeer – Gebirge – Bekaa Ebene oder auch Unterschiede zwischen den Hauptreligionsgruppen aufzeigen. Momentan behandele ich aber nur die das ganze Land umfassende Alltagskultur.

Alltagskultur im Libanon bedeutet unter anderem:

Top

Gastfreundschaft

Die Libanesen sind für ihre große Gastfreundschaft bekannt. Sie bieten Fremden uneigennützig ihre Hilfe an. Ihr libanesischer Bekannte holt Sie auch gerne von ihrem Hotel ab um Sie zu sich zu holen, da er weiß, wie schwer es für Sie ist, zu ihm zu kommen.

Besucht man einem Libanesen, bekommen Sie meist einen türkischen Kaffee (mit oder ohne Zucker) angeboten, evtl. auch, vor allem im Sommer, ein Glas Ananassaft, Tank (ein Granulatgetränk mit Orangen- oder Mangogeschmack), Maulbeersaft (lib. asiret tut), der aus Maulbeersirup, Wasser und Eiswürfeln gemischt wird, oder Pepsi.

Kommen Sie, wenn die Familie gerade isst, werden Sie zum Essen eingeladen bzw. Sie müssen mitessen und alles probieren. Wenn Sie dann satt sind und nicht mehr können, sagen Sie einfach: „Ich habe schon davon genommen (auch wenn dies nicht der Fall war), es schmeckt sehr gut. Vielen Dank.“

Die Libanesen lassen es sich nie anmerken, wenn man ungelegen kommt.

Wenn Sie mit Ihren libanesischen Freunden ins Restaurant gehen, sind Sie automatisch eingeladen und sie lassen Sie nicht bezahlen, sondern fühlen sich eher etwas beleidigt, wenn Sie zahlen möchten.
Top

Miss Univers – Miss Libanon

Die libanesischen Frauen legen sehr viel Wert auf ihr Äußeres. Sie sind aber oft auch von Natur aus sehr schön. So ist es nicht verwunderlich, dass die Miss Libanon Wahl von den Libanesen am Fernsehen mit höchstem Interesse im Kreis der Familie live mitverfolgt wird.

1971 hat es die Libanesin Georgina Rizk (جورجينا رزق), geb. 3.1.1953, auch bis zur Miss Univers geschafft. Sie war die erste Miss Univers-Gewinnerin des Nahen Ostens und ein Jahr vorher (1970) war sie Miss Libanon. Ihr Vater war Libanese und ihre Mutter Italienerin. In zweiter Ehe ist sie nun mit dem berühmten libanesischen Sänger Walid Toufic verheiratet und hat mit ihm zwei Kinder.
Top

Schönheitswahn im Libanon – Sein und Schein

Die libanesische Jugendlichen und Frauen achten sehr auf ihr Äußeres. Die meisten gehen nicht ungeschminkt auf die Straße, vor allen Dingen in den Städten. Es ist sehr oft mehr Sein als Schein. Nach außen hin muss alles perfekt sei, auch wenn man sich dadurch verschuldet. Viele ältere Frauen nehmen es gelassener. 

Der Schönheitswahn und der Wunsch nach dem perfekten Aussehen kommen den Schönheitschirurgen im Libanon sehr gelegen. In manchen Gegenden von Beirut liest man auf großen Werbebannern, die auch schon einmal an einer Brücke aufgespannt angebracht sein können, den Namen und die Telefonnummer seiner Praxis oder Klinik. Manchmal gibt es auch preisliche Sonderangebote auf den Bannern zu lesen.
Top

Nachtleben im Libanon

Wie schon erwähnt ist der Libanon ein Land voller Widersprüche.
Sowohl in Friedenszeiten als auch in Kriegszeiten floriert das Beiruter Nachtleben. Zwar verlagerte sich das Nachtleben im Bürgerkrieg von der Hamra Straße (Westbeirut) und Gemeize (Ostbeirut) nach Jounieh, ein damals sehr kleines Fischerdorf ca. 17 km nördlich von Beirut und Kaslik (kurz vor Jounieh). Aber inzwischen floriert das Nachtleben auch wieder in Hamra und Gemeize.

Auch im libanesischen Bürgerkrieg (1975 - 1990) wollte man ausgehen, essen und tanzen. Sobald es irgendwie möglich war, hat man dies auch getan. Für Leute, die nicht den libanesischen Krieg erlebt haben und die Libanesen nicht kennen, mag das unverständlich sein. Es wird den Libanesen auch vorgeworfen, sie seinen herzlos oder sie nähmen das Ausgehen als eine Art „Droge“ um den Krieg zu vergessen und vor ihm davonzurennen. Aber ehrlich gesagt, wer lebt schon gerne im Krieg? Ein jeder normale Mensch, egal welcher Nationalität und Religion, möchte in Frieden leben und auch sein Leben genießen.
Top

Das Besondere am libanesischen Bürgerkrieg, der Besetzung Südlibanons durch Israel bis 2000 und den „Kurzkriegen“ in den letzten Jahren war, dass sie nicht den ganzen Libanon betrafen, sondern eher zu bestimmten Zeiten in bestimmten Regionen tobten. Damit war es etwas „berechenbar“, wo man ausgehen konnte und wo nicht – falls man dort hin kam ohne unterwegs in die Kriegswirren verwickelt zu werden. Man kann schließlich nicht ängstlich bibbernd in einer Ecke des Hauses oder im Keller (falls vorhanden) wochen- bzw. jahrelang sitzen und beten. Man muss raus zur Arbeit, soweit möglich, um Geld zu verdienen, einkaufen etc. – und wenn es geht, auch ausgehen. Das Ausgehen hat nichts mit Gefühllosigkeit zu tun, denn schließlich hat fast jeder Libanese Angehörige und/oder Freunde im Krieg verloren. Das ist nicht natürlich nicht spurlos an den Libanesen vorbeigegangen, auch wenn es von außen oft so scheint!!! (Siehe mehr dazu im Menü Kriegswirren).
Und da die Libanesen – wie viele Südländer – gerne ausgehen, tanzen und essen, machen sie das, wenn immer möglich. Und wenn sich eine Gelegenheit ergibt um einmal für kurze Zeit beim Ausgehen aufzuatmen und neue Energie zu tanken – wer kann es den Libanesen verdenken?

Das Nachtleben in Beirut floriert schon lange wieder. Es kann locker mit London, Paris oder anderen Städten mithalten oder gar toppen. Es gibt unzählige Bars, Pubs, Restaurants und Diskos. Die jungen Libanesinnen sind top geschminkt, mit enger Kleidung und tiefen Ausschnitten. Die Männer bezahlen die teuren Drinks für die Frauen, das ist alte Tradition, aber auch Angabe der jungen Männer. Gehen gute Freunde miteinander aus, und der Mann hat nicht genügend Geld, dann kann es auch vorkommen, dass die Frau ihm draußen Geld gibt, damit er drinnen für beide bezahlen kann und sein Gesicht nicht verliert – bzw. der Schein gewahrt bleibt. Draußen auf den Parkplätzen oder auf den Straßen sind die tollsten Luxusautos zu bewundern, die hier in Deutschland ihres Gleichen suchen.
Top

Die Libanesen und ihr Smartphone

Fast jeder Libanese besitzt heute ein oder mehrere Smartphone (auf lib. celulare, abgekürzt cel.).

Als die Handys aufkamen waren sie noch sehr teuer. Ich weiß es noch ganz genau, da ich in dieser Zeit im Libanon lebte.
Um eine SIM-Karte bzw. eine Handy-Nummer zu erhalten, bezahlte man (auch ich) in den ersten Jahren nach der Einführung am 23.12.1994 (LibanCell, dann auch Cellis) 500 US-Dollar! Auch die monatliche Grundgebühr von 20 $ plus 5 $ um zu sehen, wer einem anruft (CLIP) war damals „normal“.
Nun ja, für mich war das überhaupt nicht „normal“, ich fand die Preise unverschämt, aber ich brauchte ein Handy, damit mich meine Eltern in Deutschland telefonisch erreichen konnten – was ich nicht benötigte war CLIP. Ein Handy kostete auch in Deutschland um die 600 DM, im Libanon etwas mehr.
Jeder Libanese wollte sehen, von wem er angerufen wurde, also zahlte er die 5 US-Dollar (gerne) extra. Dies und das Bedürfnis, immer auf dem neuesten Stand zu sein, machten sich die zwei damaligen Netzbetreiber LibanCell und Cellis zu nutze.
Viele Libanesen wollten ein Handy aus Prestige erwerben, obwohl sie nicht genug Geld dafür hatten. Daher verkauften sie andere Gegenstände, sogar Möbel. Es ging z.T. auch so weit, dass sich manche ein Spielzeughandy kauften und so taten, als ob sie telefonierten. Nur wenn, wie auch geschehen, jemand beim Autofahren so tut „als ob“ und dann in einen Unfall verwickelt wird, kann es peinlich werden. Vor allem, wenn der andere ihn dann bittet, ihm sein Handy auszuleihen, damit er die Autoversicherung bzw. den „Experten“ (lib. al-khabiir) der Versicherung anrufen kann.
Top

Auch war es für mich in der Anfangszeit des Handys sehr witzig, wenn ich folgende Szene öfters beobachte:
Sitzen zwei oder mehrere Libanesen zusammen – zu Hause oder im Restaurant – legte jeder sein Handy auf den Tisch. Man musste doch zeigen, dass man auch ein Handy besitzt. Klingelte dann eines davon, so griff jeder, wie vom Blitz getroffen, nach seinem Handy, obwohl doch jedes einen anderen Klingelton hatte.

Ein älterer Mann sagte mir:
Früher, wenn ein Mann in seine Jackentasche griff, holte er eine Pistole heraus, heute – Gott sei Dank – nur sein Handy bzw. Smartphone.

Natürlich sind die Libanesen auch heute noch stolz, immer das neuste Modell zu haben, was überall auf der Welt vorhanden ist, vor allem bei jungen Leuten.

Selbstverständlich gibt es auch Handys und Smartphones mit arabischer Tastatur.

In der Zwischenzeit gibt es im Libanon auch Prepaid Karten für das Handy bzw. Smartphone, welche aber im Vergleich zu Deutschland sehr teuer sind. Zudem muss man sie jeden Monat neu aufladen, sonst verfällt die Nummer. Manche Telefongeschäfte, vor allem neben teuren Hotels, verleihen auch Prepaid Karten. Diese sind aber oft sehr schnell leer und man muss deshalb häufig nachladen, und das nicht nur, weil sich die wenigsten Libanesen kurz halten können. Man muss den anderen darauf hinweisen, dass man vom Handy aus anruft und bitten, sich kurz zu fassen. Jeder weiß, dass es teuer ist.

Da das Anrufen eines Handys aus dem Festnetz sehr teuer ist, haben manche Privathaushalte Handynummern beim Telefonamt blockieren lassen. Dies schont enorm den Geldbeutel des Hausherrn, vor allem wenn Kinder bzw. Jugendliche im Haus sind.
Top